Schon immer hat mich die Vorstellung fasziniert in einem
Schloss zu leben. Sicherlich sind mir Probleme wie Kälte, Unterhalt - und
Instandsetzungskosten bewusst. Aber ganz darauf verzichten wollte ich dennoch nicht
- also ließ ich meine Kreativität freien Lauf. Denn so etwas ist auch mit einem
sehr geringen Budget umsetzbar - sofern man die Fähigkeiten besitzt, alles
selbst zu machen.
Ich fasste den Entschluss, zumindest ein Zimmer in meiner
Wohnung im historischen Stil einzurichten. Ausgangssituation: 3 Zimmer, knappe
73qm, sehr schmales Budget und eigentlich kein Platz; ideale Vorraussetzungen also......aber
dafür hat man ja bildende Kunst studiert ^^
Der Gedanke beschäftigte mich seit Jahren und durchlief
viele Planungsphasen. Was für ein Raum sollte es werden, in welchem Stil usw. ?
Die sinnvollste Lösung erschien mir ein Cabinet im
Rokokostil zu sein, auch wenn ich eigentlich mehr am großen Stil Louis XIV
hänge.
Ein Kabinett, oder frz. Cabinet, beschrieb im 18. Jahrhundert
private Räumlichkeiten, auch Hinterzimmer in den Schlössern. Hier wurde sich
vertraulich beraten und ungezwungen fern der Etikette gewohnt.
Hinterzimmer ist hier völlig wertneutral, denn diese kleinen
Gemächer waren meist erlesen dekoriert und sehr geschmackvoll eingerichtet.
Außerdem hatten die Cabinets meist niedrige Decken, denn sie entstanden als
Fluchtmöglichkeit vor den hohen und damit oft kalten und zugigen Sälen.
So war auch das "Cabinet" die einzige sinnvolle
Wahl für meine Raumgestaltung. Da ich in keinem typischen Altbau wohne, leider
sind die Decken abgehängt, dementsprechend nur über normal hohe Decken verfüge
(etwas mehr als 2,50 Meter), war an einen Salon oder Repräsentationszimmer etc.
gar nicht zu denken. Beispiele für solch intime Zimmer gibt es ja zu Hauf - die
privatesten Räumlichkeiten z.B. in Versailles haben auch kaum höhere Decken - man
denke hier an das berühmte Cabinet de Meridienne der Marie Antoinette, oder gar
die Räumlichkeiten in der 2.Etage des Schlosses - warum also nicht ?
Die Planungen:
entgültige Planung für die Umgestaltung
Im ersten Planungsverlauf ging es darum, erst einmal zu
überlegen, was in diesem Raum hauptsächlich gemacht werden sollte. Natürlich
wollte ich dort kleine private Rokoko-Gesellschaften einladen, aber den Rest
des Jahres sollte der Raum ja ebenfalls Sinn machen.
Das Zimmer sollte auch im Alltag nutzbar sein, so groß ist
meine Wohnung nun auch nicht. In erster Linie würde ich mich hier natürlich zum Lesen, Musikhören, Zeichnen, Nähen und Sticken aufhalten, aber der Raum sollte
auch unbedingt als Speisezimmer nutzbar sein.
Ich fasste den Entschluss - auch wenn es unhistorisch ist -
gleich mehrere Kabinette in einem zu kombinieren. Ich wollte hier meine Bibliothek
unterbringen, und darin integriert einen Kaminplatz mit dem obligatorischen
Spiegel.
Nach einigen Überlegungen entschloss ich mich auch einen
richtigen Alkoven zu installieren, mit Ruhebett. Hierdurch schaffte ich eine
gemütliche Ecke zum Dösen und Lesen, außerdem konnte ich so die moderne Tür zum
Zimmer, dem späteren Kabinett, kaschieren. Die verbleibende Wand sollte
vertäfelt werden um dann meine 3 Lieblingsgemälde aufzunehmen.
Der Stil war auch schnell gefunden: französisches Rokoko
sollte es sein, mit einigen deutschen Einflüssen.
Der Alkoven in dieser Form kommt fast nur in frz. Schlössern
vor, die Dekoration richtete sich daher auch hauptsächlich nach frz. Vorbildern,
deutschen Akzente setzten später die verspielten Rocaillen.
Ich fragte Martin, der sich mit Holzarbeiten auskennt und über das nötige Werkzeug und Geschick verfügte, ob er mir hilft und ob meine Idee umsetzbar wäre - er meinte: kein Problem, also starteten wir.
Die Realisierung:
Der Raum vor der Umgestaltung, ein gewöhnliches Wohnzimmer
Nachdem die alte Studentenbuden-Einrichtung auf den Sperrmüll
wanderte, legte ich unter der Auslegeware der Vormieterin das Parkett frei.
Dies wurde intensiv gereinigt.
Durch den geplanten Alkoven konnte ich gleich mehrere
Probleme beseitigen, die moderne Tür verschwand nun in der Vorkammer, und ein
komplizierte Umbauung der Tür konnte so vermieden werden - außerdem hätte dann
die originale Zimmertür ausgehängt werden müssen und würde nur Platz im Keller
wegnehmen.
Weiter bot die Vorkammer nun Platz für einen kleinen Schrank,
sowie die aufbaubare Tafel für Gesellschaften. Und für meine kleine
Kupferstichsammlung war nun auch ein passender Platz gefunden. Die Vorkammer
wurde mit einer hübschen Vliestapete tapeziert, die die spätere Raumgestaltung
farblich aufgriff.
Auf der anderen Seite entstand natürlich eine weitere kleine
Kammer in der wir mehrere Regalböden einbauten: Es entstand so ein sehr
geräumiger Wandschrank: genug Platz für meine Näh- und Zeichenutensilien,
Gesellschaftsspiele und sonstigen Kram.
Die ganze Konstruktion ragte nur einen Meter in den Raum
hinein, machte den Raum auch optisch nicht kleiner.
die ersten Bauarbeiten für den Alkoven
Der Alkoven nachdem er mit einer Untergrundtapete für die
spätere Dekoration beklebt wurde. Die Türen und die Stoffbespannung fehlen noch,
die Dekoration ist gerade im Entstehen.
Natürlich ist es heute kaum mehr möglich geschnitzte
Wandtafeln zu verwenden. Es sei denn man beherrscht dieses Handwerk selbst oder
ist bereit und in der Lage diese Handwerksleistung bezahlen zu können. Da aber
auch damals mit anderen Mitteln improvisiert wurde, tat ich dies ebenfalls.
Zunächst wurden entsprechend breite und große Pressspanplatten auf eine
Unterkonstruktion von Dachlatten geschraubt und genagelt, es folgte der erste
Anstrich als Grundierung. Darauf kam eine Vorzeichnung für die Ornamentik und direkt
die ersten Zierleisten.
Nun begann der aufwendigste Teil, das modellieren der
Rocaillen und Blütenornamente.
Die mit Platten verkleidete Wand
nach dem ersten Anstrich, die Zierleisten
Beginn der Modellierungsarbeiten
Detail des Decors im Rohzustand
Nun wurde diese Wand erneut weiß gestrichen und die
Wandverzierungen vergoldet.
Die Gemälde kamen direkt an ihren Platz.
Die "Gemäldewand" im fertigen Zustand
Jetzt war es endlich Zeit mit dem nächsten größeren Einbau
zu beginnen, der Bibliothek.
Im Zentrum der Wand wurde ein Hohlkörper aus Holz aufgebaut
mit einer großen Öffnung - der spätere Kamin, bzw. eine Maske wurde davor
gesetzt (dieser Kamin ist natürlich nicht funktionsfähig, sondern dient nur der
historisch stimmigen Optik. Innen wurde der Bau mit einer Ziegeltapete
dekoriert. Darüber, gewissermaßen der Schlot, wurde als Regal gebaut.
Rechts und links davon entstanden die Bücherregale, hier
erhielt mein altes Ikea-Regal, das ich seit 20 Jahren besaß und in dem ich
bisher meine Bücher aufbewahrte, ein neues Leben. Zudem konnte durch die
Wiederverwendung der Holzbretter kräftig gespart werden.
Die Bibliothek im Bau
Die Kaminmaske bemalte ich mit einer Marmorstruktur und um
den entsprechenden Glanz zu erzielen, gab es noch einen Glanzlack, das gleiche erfolgte
später bei der Fußleiste des gesamten Raumes.
Das Regal über dem Kaminplatz verschwand hinter einer
beweglichen Wand: Auf dieser Platte wurde ein Spiegel aufgeschraubt: gefräste Führungsschienen unten und oben ermöglichen ein
seitliches verschieben der gesamten Platte um an den dahinter verborgenen Schrank zu gelangen.
der bemalte Gips-Kamin
Die bewegliche Spiegelplatte
die fertig dekorierte Spiegelplatte
Nun kamen endlich die beiden Türen für den Alkoven an ihren
Ort.
Bereits zuvor waren die Türen (im Grunde nur MDF Bretter) ebenfalls von einer Seite
tapeziert worden. Die Leisten gaben dem Türbrett zusätzliche Stabilität und
ahmten gleichzeitig die Gestaltung der Wände nach. Der Alkoven wurde nun auch
vollendet: die Innenwände wurden mit einem schönen , schweren Brokat bezogen.
Aus dem gleichen Stoff nähte ich die Vorhänge und die Bezüge für die Kissen des
Sofas, das ebenfalls mit dem Stoff neu bezogen wurde.
Im 18. Jahrhundert war es durchaus üblich alle Stoffe eines
Raumes, also Vorhänge, Bezüge, Wandbespannungen aus dem gleichen Stoff zu
gestalten.
Das wollte ich jedoch nicht, ich entschied mich für einen farblich
passenden Stoff im spätbarocken Stil in rot und gold um etwas mehr Farbe in den
Raum zu bringen. Außerdem erinnerte mich der Stoff ein wenig an das
Schlafzimmer Louis XIV. Der Alkoven wurde so zudem zu einem richtigen Blickfang
(und einem sehr gemütlichen Eckchen).
Die Vollendung folgte dann mit dem Anbringen der Vorhänge
und Schabracke im Alkoven und die letzten Stuckarbeiten, die dann schließlich
noch vergoldet wurden.
Anbringung der Stoffauskleidung
Vorhänge passen, ebenso die Türen, die jedoch noch im Rohzustand sind
Der fertige Alkoven, Lily gefällt es zumindest schonmal
Die Bibliothek mit ihren "geheimen Funktionen"
Aktenschrank, Minibar und PC-Fach sind unsichtbar.... und hier sind die verborgenen Bereiche geöffnet:
Das Mobiliar:
An Mobiliar reduzierte ich mich auf das Nötigste, da ich den
Raum nicht zustellen wollte.
2 Sessel, 8 Stühle, ein Sekretär, das alte, aber mit neuem Stoff bezogene Sofa sowie der Spieltisch und
natürlich meine Lieblingsgemälde waren im Grunde die gesamte Einrichtung. Vasen
und die obligatorische Uhr werden irgendwann mal folgen.
Zu den Gemälden, es handelt sich hierbei um echte Ölgemälde,
allerdings Kopien nach Alten Meistern ca. 40 - 50 Jahre alt.
Ich habe bewusst keine "Rokoko-Gemälde"
aufgehängt, da ich die Malerei des 18. Jahrhunderts als solche nicht sonderlich
mag, sie interessiert mich natürlich, wenn Orte oder Kleidung der Zeit
wiedergegeben werden, aber das war es dann auch.
Ich schätze die Malerei des 17, Jahrhunderts über alle Maßen
und daher kamen auch nur solche Bilder in Frage. Die Bilder hingen im Haus
meiner Großeltern, ein befreundeter Maler meines Großvaters hatte sie wohl in den 70er Jahren gemalt. Sie begleiten mich im Prinzip mein ganzes Leben und haben eine ganz große Bedeutung für mich. Daher
ist jedwede Diskussion überflüssig ob sie nun in diesen Raum zu 100% passen
oder nicht.Eigene Bilder hänge ich grundsätzlich nicht auf, es ist fast genau so, als führe man sich selbst Zaubertricks vor - uninteressant.
Hinzu kam ein gedrechselter Holzständer den ich vor Jahren
mal vom Sperrmüll gerettet und danach aufbereitet hatte, auf dem nun ein
schwerer Kerzenleuchter steht.
Auf dem Spieltisch fand eine kleine chinesische Deckelvase
ihren Platz, im Alkoven wurde meine alte Christusfigur aufgehängt - als
gläubiger Mensch für mich ein Muss.
die "historischen Möbel" sind allesamt Repliken.
Die Beleuchtung:
Die elektrische Beleuchtung ist auf ein Minimum reduziert.
In der Vorkammer gibt es versteckt ein so genanntes
"Push Light" wenn man mal an den Schrank muss und das Tageslicht
nicht mehr ausreicht, das gleiche für den Wandschrank.
Indirekte LED Beleuchtung nur im Alkoven, sowie eine kleine
Lampe neben der Bibliothek auf der Fensterbank sind im Grunde die ganze elektrische Beleuchtung.
Der Raum kommt ohnehin am besten zur Geltung, wenn er nur mit Kerzen beleuchtet wird.
Der Raum ist zu niedrig für einen
Deckenleuchter - dies war auch in den privaten Kabinetten in Versailles so, also werden Kerzen nur von den Tischleuchtern und den Appliken am Spiegel aufgenommen.
Das Kerzenlicht reflektiert sich im Spiegel und den
Vergoldungen der Möbel und Wände, so dass der ganze Raum, auch mit wenigen
Kerzen, in ein herrliches goldenes Licht getaucht wird - etwas was heutzutage
in den Schlössern nicht mehr zu erleben ist.
Elektrische Beleuchtung macht diese Raumkonzepte eigentlich
kaputt, deswegen verbannte ich auch bei mir diese Art der Beleuchtung aus
meinem Heiligtum und reduzierte mich auf eine Art Notbeleuchtung.
Viel wurde wieder verwendet, oder Zweckentfremdet -
Beispiele:
Der große Spiegel über dem Kamin, ursprünglich ein
selbstgebauter Spiegel meines Onkels für den Flur meiner Großeltern - sollte
eigentlich auf den Sperrmüll: ich nahm ihn mit, und überarbeitete ihn komplett. Aus diesem Stück Sperrmüll ist nun ein zentraler Blickfang im Kabinett geworden.
Dann das alte Ikea-Regal (für diejenigen, die es interessiert, es hieß im ersten Leben "Ivar") dessen Regalböden
für die neue Bibliothek zurechtgesägt und wiederverwendet wurden. Das Ruhebett, meine alte
Studentencouch, die ich neu polsterte und bezog....usw.
Monatelange intensive und anstrengende Arbeit neben dem Alltag, die aber meist Spaß machte und sich mehr als gelohnt
hat. Zudem ist im Falle eines Auszuges alles auch wieder demontierbar.
Jetzt gilt im wahrsten Sinne des Wortes: My Home is my
Palace!
Und hiermit sei bewiesen, man kann auch mit sehr geringen Mitteln, mit viel Kreativität, Geschmack und dem nötigen know-how Träume Wirklichkeit werden lassen, man muss es nur wollen und tun.